Motorradfahren ist eine Leidenschaft von Irene Seidler, die sie beruflich als Trainerin, privat und für den guten Zweck nutzt. Was sie auf zwei Reisen in Nordeuropa erlebt hat und was ihr dabei besonders am Herzen liegt, erfuhren die faszinierten Besucher bei einem Vortrag, zu dem der Kulturring Rüthen wieder in der Bibertalgastronomie HenrichS eingeladen hatte.
Kulturringvorsitzender Klaus Herting freute sich auf einen spannenden Vortrag, er hatte Irene Seidler in ihren Reiseberichten auch schon auf Motorradfahrten im Irak verfolgt und freute sich mit den Gästen in der ausverkauften Gaststätte nun auf Reiseerlebnisse von zwei Touren durch Eis und Schnee.
Warum reist m an durch Island und warum macht man das im Winter? Sie möchte auf Depressionen und Hochsensibilität aufmerksam machen und ist selber davon betroffen. In ihrem Charity-Projekt „Heels on Wheels“ kann man auf Ereignisse in ihren Fahrten für den guten Zweck wetten. Der Erlös ist wie die Einnahmen des Vortrages für die Kinderhilfe Loop. In Island ist die Krankheit verbreitet, entsprechend hatte Irene Seidler sich das Land für ihre Wohltätigkeitsfahrt ausgesucht. Und natürlich reizte sie auch das Abenteuer.
In der Vorbereitung hat sie sich um Stollenreifen bemüht, in die sie Spikes schrauben wollte. Auch auf die Kälte wollte sie vorbereitet sein und „braucht man eine Visierheizung?“ Gegen kalte Füße hilft Alufolie zwischen Sohle und Innensohle, war auch für den kommenden Winter ein Tipp. Das Motorrad heißt Ronja, das war bei Start in Island ordentlich beladen. Die Stollen wurden vor Ort eingeschraubt, das soll bei den auf der Reise herrschenden Temperaturen gemacht werden, und auch eine neue Batterie sollte noch besorgt werden. Dann konnte es losgehen. Ob sie verrückt oder unvernünftig ist – „Are you crazy or are you stupid?“, wurde sie unterwegs gefragt mehrfach gefragt. Der erste Wagemut wurde mit Nordlichtern belohnt, die zu sehen nach einigen Tagen zur Gewohnheit wurde. Die kalten Temperaturen ließen nicht nur den Tank schnell leer gehen, sondern auch den Akku vom Laptop. Ein zugefrorenes Tankschloss musste erst wieder aufgetaut werden. Schlechtes Wetter abwarten konnte fünf Minuten dauern oder fünf Tage, machte Irene Seidler die Erfahrung und lernte, auch in einfachen Verhältnissen mit einer Matratze zu übernachten – oder eben beim Schneesturm im Zelt. Dann wieder beeindruckende Natur, ein gezeigtes Landschaftsfoto war kein schwarz-weiß-Bild, das musste dazugesagt werden. Die Formel Geschwindigkeit gibt Sicherheit konnte bei den Straßenverhältnissen trotz Spikes nur bedingt umgesetzt werden. Unerwartet auftretende Schneegestöber ließen Hindernisse auf der Straße übersehen und führten zu einem kleinen Unfall, doch beim Aufheben des Motorrades halfen die Menschen gerne. Manchmal fiel das abgestellte Motorrad auch einfach vom Wind um, Windstärken bis 140 km/h waren nicht selten. Reparaturen wie an einer Kette erforderten Improvisationstalent, irgendwann fand sich auf der Insel auch ein Händler mit passendem Werkzeug. Nach einer Pause ging in dem Vortrag die Reise weiter nach Norwegen. Die Vorbereitung auf die Reise war Kältetraining. Im Vergleich zu Island sei Norwegen windstill, die hohe Luftfeuchtigkeit lässt den Sattel einfrieren, aber das Land ist nach den Schilderungen auch unglaublich schön. Spikes wären neben den Reifen auch für die Schuhe gut gewesen, war ein Erfahrung, die beim nächsten Mal Rutschen nach dem Absteigen vom Motorrad vermeiden kann. Wenn die Außentemperatur -25°C beträgt, hilft das norwegische Tempolimit von 60 km/h gegen das Frieren. Unterschiede hat Irene Seidler in der Mentalität zwischen den hilfsbereiten Isländern und den touristengewöhnten Norwegern ausgemacht. In den dunklen Wintertagen kann man sich in Skandinavien mit teurem Alkohol oder Süßigkeiten, aber auch mit Beleuchtung das Gemüt aufhellen. Wie die Technik des Motorrades bei den kalten Temperaturen funktioniert und was bei dem Gepäck zu beachten ist, Begegnungen mit Menschen und Naturerlebnisse waren weitere Schilderungen, die Irene Seidler mit ihrem Wortwitz und einer herzhaften Ehrlichkeit rüberbrachte. Unbeschwert ehrlich ging sie auch immer wieder mit dem Thema Depressionen um, zu dem sie mehrfach den Bogen schlug und zu dem sie gerne Hilfe anbietet – „auch wenn man sich noch nicht kennt“.
